alltagspoesie.
Mein Blick auf die Welt. Lyrik. Prosa. Kurzgeschichten.
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nahtod.
als das licht ausging,
hatte das publikum eine
nahtoderfahrung:
so also fühlt sich
das sterben der kunst an,
raunte es durch reihe drei.
am ende gab es milden
applaus, aber auch:
so schnell schauen wir das
nicht mehr an
sagte frau müller in reihe vier,
zu deprimierend.
serviervorschlag.
aus dem leben einer assistenz.
- ich habe mir gedacht, dass
- nein
- oh, wie wäre es mit
- nein nein
- vielleicht könnten sie sich vorstellen
- ha ha nein
- man könnte aber auch
- nein nein oh nein
- … eine idee wäre noch
- danke danke
- ja
- gut gemeint
- ja aber
- aber nein.
- gern…
auto-aggression.
ein mobiles gedicht.
ich fahre auto
und ich liebe mich dafür
und ich hasse mich dafür
wir sind des planeten krebsgeschwür
wir fahren durch die Straßen
in rauen mengen
wir drängen wir hupen und hetzen
sitzen gepolstert auf fetten ärschen
verbrennen verbrennen verbrennen
der erde gold
wofür
um anzukommen
wo wir nicht sein wollen
um anzukommen wo wir nicht sein wollen
wir bauen straßen
pechschwarzer asphalt
werden alt vom gift der gase
vom gift vom gift vom gift
ich liebe mein auto
ich liebe es zu fahren
ich hasse es zu fahren
ich hasse den stau den stau den stau
ich hasse und hasse und hasse und liebe
und kann es nicht lassen.
ich fahre auto
und ich liebe mich dafür
und ich hasse mich dafür
wir sind des planeten krebsgeschwür.
kunst.
eine gesamtkritik.
premiere.
das stück: „der rest ist schweigen”.
leere bühne.
der regisseur furzt leise in seinen sessel
— und geht —
tosender applaus.
derniere.
in der [mitte] sind wir.
wir kratzen an alten wunden
das Narbengeflecht juckt
kratzen
die wunde tiefer, als man denkt
kein fahrradsturz
ein schnitt
zugefügt durch scharfe messer
geführt von fremder hand
unabsichtlich
oder notwehr
die geschichte wird neu erzählt
und verliert dabei an alten details
neue kommen hinzu
die wirklichkeit liegt irgendwo dazwischen
und schert sich einen dreck
sie macht wohlverdienten urlaub
lässt es sich gut gehen
du wolltest mich vor jahren nicht anschauen
sagt sie
und zuckt mit den schultern
nun flutscht sie durch die tränennassen hände
windet sich aus dem verzweifelten griff
und lacht sich ins fäustchen
was bleibt am ende?
phrasen
wort- und hilflosigkeit
und
eine chance auf gegenseitige akzeptanz
du bist du
ich bin ich
in der [mitte] sind wir.
auf gute nachbarschaft.
eine unschwule kurzgeschichte.
als der alte achluppmeier am aamstag vor vier wochen mit seinem dreckigen grinsen den halbnackten oberkörper aus dem fenster im zweiten stock hängen ließ
und dem hausmeister zugrölte:
schätzelein, wennste mit laub blasen fertig bist, kommste auf nen kübel prosecco rauf,
war uns allen schlagartig klar, warum den alten schluppmeier nicht mochten.
warum der hausmeister trotzdem am selbigen abend kurz nach achtzehn uhr
beim verlassen von schluppmeiers wohnung
— mit hochrotem kopf —
gesehen wurde, ist uns allen heute noch ein rätsel.
seine frau ist eine woche später ausgezogen.
Der laubbläser ward seitdem nicht mehr gehört.
gute-nacht-geschichte für unartige prinzess:innen.
was war das?
hörst es?
kind, hörst es leis', draussen.
des rauschen und rascheln in den bäum'?
kind!
der schrat ist's.
lauern tut er im schatten.
lauert und kauert und grinst und rotzt und wartet und sitzt's aus.
da lurt er, da horcht er herauf in den Turm.
er weiß, hier ist's heimlich und traut und gebrechlich.
er sitzt und er schaut, er schaut und ritzt in die äst.
er ritzt des eine wort, des keiner hörn möcht:
jucheirassa
da graust es den kindern, den eltern, da graut schon das sonnlicht im baum.
und wenn er genug hat, dann kaut er und schmatzt er und leckt übers gras
und frisst in sich rein, die sorg', schmerz und die pein.
da hilft nix, die kinder sind bös, des schnuffelt und riecht er,
des hat er im gspür. die kinder, die mucken, die nimmt er recht her.
da schrattert und knarzt er durch knochenmühl alles, alles das,
was nicht hurtig und artig und brav und lieb und folgsam und sittsam und schweigsam
und duldsam und zweisam und kleidsam und [die worte versagen]
fünfzehn jahr' - jucheirassa.
nix hilfts, bis auf das einzige, das eine und wahrhaftige.
am end sind wir doch wieder allein.
da möcht' man doch gern a liebes, a braves prinz:esserl sein.
boom boom christmas.
es dröhnt aus den boxen
boom boom christmas time boom boom christmas
die bedienung ist in stress, der kunde verlangt seinen xl caramel creme macchiato mit erdbeer-himbeer-topping und sauerkirschen-aroma.
die anderen vier kunden warten noch auf ihre bestellungen.
boom boom.
autos kuscheln sich stoßstange an stoßstange voran und hupen gemeinsam ihre hymne durch die erschöpfte stadt.
der grautrübe himmel spiegelt sich im schneematsch auf den nasskalt schmierigen straßen wider.
irgendwo wird eine alte dame beim versuch, mit ihrem rollator die spiegelglatte fahrbahn bei rot zu überqueren, von einer tram erfasst und zersplittert in ihre hundertausend jahre alten einzelteile.
boom boom.
bei elektronikdiscounter hat die kassierende person gerade euro nummer siebentausendeinhundertzweiundachtzigfünfzig in die kasse gelegt, wünscht ein frohes fest, welches sie selbst nicht feiert und fragt sich, wie sie den zahnersatz ihrer sechzehnjährigen, schwangeren tochter bezahlen soll.
an der landsberger straße stehen sich die nutten die füße kalt und nass und und platt, und werben mit einer weihnachtsgratifickation für jeden neu-, stamm- und anderen kunden.
auch buchbar für weihnachtsfeiern.
boom boom.
leise rieselt der schnee auf die a9.
stundenlang schaut man auf den starren autobahnstausee, der da so ruht.
weihnachtlich glänzt die staulichterkette durch die bundesrepublik.
irgendwo macht es boom boom christmas time boom boom christmas.
frohe weihnachten, wenn sie denn ankommen.
amen.
o wie lacht.
manchmal sind die dinge schon ganz gut.
da sitze ich seit stunden und warte
auf worte
nichts als worte
bloße worte.
ein phantasieprodukt. gesichtslos.
nur puzzleteilchen und wortfetzen.
warum ich warte?
je ne sais pas
neugier? gier. nichts weiter.
flüchtige wortwechsel, komplimente. humor.
locken. nicht kompatibel, wenn ich mir selbst glauben schenke.
gemeinsamkeiten. bilder.
ich merke, wie ich minute um minute unruhiger und unproduktiver werde.
den blick an die fensterfront geheftet, jeden passanten ins Visier genommen.
ich bin ein scharfschütze, der im stillen spioniert und hofft.
nur worauf?
auf ein hallo — wie gehts dir — coole worte — coole frise – mag dich — boy.
das verlangen danach, begehrt zu werden? zu gefallen?
worte liegen auf meinen fingerspitzen, zwei klicks und ab damit.
ich verharre. erstarre. tippe nahezu blind auf der tastatur.
gedanken fließen. unverbindlichkeit ist anscheinend mode.
im kopf sortiere ich die bilder und weiß, dass ich sie loswerden muss.
wenn ich den computer schließe, meinen blick vom fenster wende,
die bilder oh die bilder
und die gedanken ausknipse, dann weiß ich - hoffentlich -
manchmal sind die dinge schon ganz gut so, wie sie sind.
niemals mehr.
draussen ist es kalt
die sonne schien
doch sturzbäche von wolken überfielen unser land
der sonnenschein hat sich vertan
hält sich nun in unwirtlichen gegenden auf
verläuft sich im nirgendwo und trocknet dort die verdörrte erde aus
bringt unheil und verdampft wasser
auch wenn sich der himmel verdunkelt
das licht verbleibt
der mensch verzagt
die umwelt klagt
dort. im herzen. ganz tief drin
dort halten wir dich fest
und so wirst du nie mehr vergessen sein
niemals mehr
dort, wo die sonne immer scheint.
das universum in mir.
potential
das in dir steckt
wird sich ein leben lang nicht ausschöpfen lassen
können
augen auf im straßenverkehr und im leben
kreisverkehr ohne ausfahrt
nimm mich wahr
ich bin da
das leben ist schön
fiebrig fühlt sich der mensch
wenn einem die worte in den fingerspitzen stecken belieben
fernweh nach dir
sonnenstrahlen brennen kälte ins Herz
die natur schreit
lass den menschen raus
beweg dich endlich - nicht erstarren - sei schön
finde dich schön
das rettet dich
mach dich los von konventionen
nach nacht kommt sonne kommt tag
da ist er - der tag
ein schatten seiner selbst
nicht mehr nicht weniger
Das Leben ist ein Lied.
Gedankenfragmente aus dem Jahr 2011.
Willkommen, Bienvenue, welcome. Part of your world.
Auf meinem Weg in eine wicked little town.
Ich sitze im Zug und beneide die Tauben, die am Bahnsteig entlang laufen.
Wenn die keinen Bock mehr haben auf einen Ort, fliegen sie einfach los,
Kraft ihrer Schwingen..
They are defying gravity. Geiler Song.
Verbindung von Macht, Sehnsucht, Losreissen, Liebe, Freiheit.
Die Schwerkraft besiegen, denk ich.
Und die Tauben sind sich nicht bewusst, was für eine Freiheit sie haben.
Sie machen einfach, denken nicht nach. Reflexe. Instinkt und Erfahrung.
Wir Menschen sind zu erfahren, um gut zu sein.
Verdammte Medienwelt, verdammte Entwicklung, denk ich und checke meine Twitter-Timeline. User @xy will sich demnächst ein neues iPad kaufen. Das will ich auch und rechne im Kopf die nicht vorhandenen Einnahmen aus den letzten Monaten zusammen.
Das S-Wort entfährt mir, und die Welt zieht noch schneller an mir vorüber.
Liquid heisst das Unzauberwort.
Unliquid ist nicht schön.
Irgendwie.
Mein iPhone spielt Musik aus einer Liste, die ich nicht angelegt habe.
Sie nennt sich selbst Random.
Das Leben läuft nie random; die Liste, die dort abgespielt wird, nennt sich Schicksal, Selbstbestimmung oder Unwichtige Wichtigkeiten.
Der meistgenutzte Buchstabe auf meiner iPhone-Tastatur ist das y, liegt es doch auf gleich neben der Shift-Taste. Blöde Großschreibung, ich kann’s einfach nicht lassen.
Das Zugpersonal freut sich über Lautsprecher, mich im Zug begrüßen zu dürfen.
Dann bin ich mal gespannt, was sie mir für mein Geld bieten.
Jedenfalls keine gute Unterhaltung, das steht fest. Immerhin eine gute Fahrt.
Wenn lustlos darauf hingewiesen wird, dass Firma XY kalte und heiße Getränke sowie kleine Snacks mir an meinem Platz servieren wird, greife ich panikartig zu Kopfhörer, Wasserflasche und Donut sowie Zeitschrift, um dem Kaffeelimobierschokoriegel-Mann von vornherein deutliche Signale zu senden.
Was ihn aber nicht stört, im Gegenteil: er ergreift selbstbewusst die Gegeninitiative bleibt so lange neben mir stehen, bis ich ihn herzlos weiterwinke.
Der Arme macht auch nur seinen Job, denk ich und sehe mich plötzlich bei meinem Nebenjob im Kino an der Theke stehen.
Smile. Lächle um nicht zu weinen.
Manch einer hat das perfektioniert.
Dabei kann es so herrlich befreiend sein, einfach loszulassen und zu weinen.
Hier sitze ich nun, lasse los und weine, heule, schluchze.
Don’t cry for me, Argentina kommt mir in den Sinn.
On my own, pretending he’s beside me, wenn ich tanzen will. Totale Finsternis. Ein Meer von Gefühl und kein Land.
Aufwachen.
Alles dreht sich um mich, Schwindel, Herzenswärme, Winterwärme, Restwärme.
Kaffeecappucchinocolawasser?
Nein, danke. Lieber ein Meer voll Geborgenheit. Seasons of Love.
Goldene Blätter ziehen am Fenster vorbei, wobei eher das Fenster an den Blättern vorbeizieht.
Wo ist der Sommer, fragt Lady deWinter. Wir sind wie zwei Boote in der Nacht, jedes hat sein eignes Ziel und seine eigene Fracht. Wie begegnen uns auf dem Meer, und dann fällt der Abschied uns schwer, antwortet Elisabeth. Nicht, nichts, gar nichts.
And if you`ve got no other choise, you know you can follow my voice through the turns and noise of that wicked little town, singt mein Hirn und ich muss lächeln, um nicht zu weinen.
Der Himbeer-Donut schmeckt künstlich.
Nach Farbstoff und Konservierungsmittel. Unbehagen breitet sich auf meiner Zunge aus.
Werden wir alle an Krebs sterben?
Gibt es überhaupt ein Leben nach dem Tod - oder hat das alles mehr mit uns selbst zu tun, als wir ahnen, fragt sich mein Gehirn und wundert sich über die Worte, die in dieser Reihenfolge wenig Sinn machen.
Sei bereit, Sternkind. Manchmal in der Nacht will ich so sein, wie Du mich haben willst, und wenn ich mich selber zerstör.
Alt wie ein Baum, denk ich.
Mein Herz tanzt, schwappt über und fließt in den Nebel, der am Fenster vorbeizieht.
Because I knew you I have been changed for good.
Zum Guten? Oder für immer?
Wer bin ich, und wieso bin ich der, der ich zu sein scheine?
Sein oder Nichtsein. To Be or not to Be.
I am what I am, and what I am needs no excuses.
Wir erreichen jetzt Moosburg.
Schwarzfahren kann sich ins Gedächtnis brennen.
Irgendwie, irgendwo, irgendwann. Vielleicht somewhere over the Rainbow, Way Up high.
Das Leben scheint ein Lied zu sein, dessen Beats das Herz am Schlagen halten.
Manches ist in Dur notiert, vieles in Moll.
Machs gut, mein Herzensschöner.
Und weiter geht die Reise.
Wohin?
Ich will nur zurück zu mir.
Eine komische Inzest-Tragödie für die ganze Familie in 2 Akten
(Serviervorschlag)
Personen.
Der Waldschrat
Der König
Die Königin
Elsbeth, die Königstochter
German, ihr Verehrer
Handlungsorte.
Elsbeths Turmzimmer im Schloss
Der unheimliche Wald
Das Versteck des Waldschrats
1. Akt
SZENE 1. Ein unheimlicher Wald, Dämmerung. Man hört das Musizieren der Insekten und das Rufen eines Nachtvogels, Gras- und Laubgeraschel. Die Ouvertüre (Waldschrat-Thema) setzt ein.
Der Waldschrat tritt auf und gibt zu verstehen, er habe diesen Wald erschaffen und sei sein Hüter. Er prophezeit, dass sich hier bald eine schreckliche Tragödie abspielen wird.
Waldschrat: Und ich hab den Wald gemacht
SZENE 2. Eingesperrt in ihr Turmzimmer, sitzt Elsbeth und betrauert den Verlust ihres Verehrers German, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Ihre Eltern missachteten die Verbindung zum Tagelöhner German und sperrten sie in das Turmzimmer. Seitdem häkelt sie an einem Strick, mit dem sie entweder durch das Fenster fliehen oder sich erhängen will.
Die Königin betritt das Zimmer und bittet zum Abendmahl, die einzige
Möglichkeit für Elsbeth, ihr Zimmer zu verlassen. Diese weigert sich, sie habe keinen Hunger. In ihrem Lied wendet sie sich an den Zuschauer und erzählt, sie würde Nacht für Nacht von einer Stimme gewarnt werden, nie wieder eine Mahlzeit in diesem Schloss anzurühren.
Elsbeth: Nein, meine Suppe ess ich nicht
Vom Fenster her hört sie plötzlich German nach ihr rufen („Elsbeth, lass Dein Haar herunter!“). Er habe nun endlich einen Weg durch den Dornen besetzen Vorgarten gefunden und sich einen Weg zu ihrem Turmfenster gebahnt. Elsbeth hat die Idee, ihn mit dem Strick ins Zimmer zu holen.
Elsbeth, German: Den Strick hab ich für Dich gedreht
Im Turm angekommen, verspricht er, sie zu befreien. In diesem Moment erscheint der König in der Tür und fordert seine Tochter auf, zum Essen zu erscheinen. German klettert schnell aus dem Fenster und hält sich am Sims fest. Dumm nur, dass der König das Fenster schließt und Germans Finger einklemmt. Dieser stürzt mit einem lauten Schrei in den Wald unter dem Turm. Vor Schreck erstarrt versucht Elsbeth den Schrei als Furz zu erklären.
Elsbeth, König, German: Mir deucht es war ein Magenwind
Sie bittet ihren Vater, das Essen auf ihr Zimmer zu bringen. Der König willigt ein und verlässt sie. Im Glauben, German sei beim Sturz gestorben, versucht Elsbeth sich mit dem Strick zu erhängen, doch er reißt. Es erklingt die Stimme des Waldschrats, sie denkt, es wäre German und stürzt sich aus dem Fenster.
Waldschrat: Elsbeth, im Dunkeln ist gut Munkeln
Der König kommt mit einem Teller Suppe zurück, sieht das offene Fenster und den Strick und erkennt das Unglück. Seine Gattin befiehlt voll Zorn, er solle sich auf die Suche nach Elsbeth machen. Daraufhin springt der König kurzerhand ebenfalls aus dem Fenster, was die Königin nur mit einem Königin: Umnachtet ist der Alte kommentiert.
SZENE 3. Das Zimmer verwandelt sich in den Wald und der Waldschrat tritt auf. Im Hintergrund sieht man German, Elsbeth und den König in der Dunkelheit umherwandeln.
Elsbeth, German, König: Totale Finsternis mit Filmriss
Der Waldschrat wendet sich ans Publikum und gibt zu verstehen, dass er Elsbeth besitzen will, um sich an ihr auszutoben. Als sie sich langsam an ihn herantastet und nicht erkennt, zitiert er den Erlkönig: “Mein liebes Kind, komm geh mit mir. Gar schöne Spiele spiel ich mit Dir. Manch bunte Blumen sind an dem Strand, meine Mutter hat manch gülden Gewand.“
Elsbeth fragt, wer er denn sei, und der Waldschrat erklärt ihr
Waldschrat: Und ich hab den Wald gemacht Reprise
Black.
2. Akt
SZENE 1. German irrt frierend und ängstlich durch den Wald und ruft verzweifelt nach seiner Elsbeth.
German: Elsbeth, wo ist meine Elsbeth
In der Dunkelheit begegnet ihm der Waldschrat und gibt sich als Fahrender Händler aus. German ergreift kurzerhand die Chance, durch den Kauf einer Lampe seine Geliebte in diesem verfluchten Wald zu finden. Als Gegenleistung verlangt der Händler kein Geld, sondern Germans Kleidung.
Dieser willigt ein und macht sich halbnackt auf die Suche nach Elsbeth, nun im Besitz einer Lampe. Der Waldschrat schlüpft in Germans Kleidung und triumphiert:
Waldschrat: German bin von nun an ich / Und ich hab den Wald gemacht (Reprise)
SZENE 2. Auch Elsbeth befindet sich allein, schniefend und zitternd im Wald. Ihr geht die Aussage des Waldschrats nicht mehr aus dem Kopf: „Aus diesem Wald wirst Du nur entkommen, wenn Du mit mir gehst und meine Liebessklavin wirst.“
Doch sie ist ja in German verliebt. Wie solle sie mit einem anderen gehen?
Auf der anderen Seite ist das wohl der einzige Weg aus dem Irrgarten.
Elsbeth: Daheim ist, wo das Herz ist
Da erscheint der König und befiehlt, sie solle mit ins Schloss kommen, doch Elsbeth weigert sich: lieber beende der Wald ihr Leben, als dass sie wieder in den Turm zurückgeht. Sie stellt ihren Vater vor ein Ultimatum: entweder, er akzeptiert ihre Liebe zu German, oder sie werde auf der Stelle in den Wald laufen und dort elendig zu Grunde gehen.
Das bringt den König zur Raserei und er beklagt die Dummheit seiner Tochter.
König: Schöne Töchter sind strohdumm
Verletzt reißt Elsbeth sich los und flieht tiefer ins Gehölz.
SZENE 3. Die Königin kommt hinzu. Ihr wurde das Warten im Schloss zu blöd und somit hat sie sich auf den Weg gemacht. Sie klagt ihren Mann an, dass sie nun schon das zweite Kind verloren habe. Gemeinsam fassen sie einen Plan: Der Mann, der an all dem Unglück Schuld ist, muss sterben: German.
Königin, König: Liebesqual ist Qual nach Wahl
SZENE 4. Sie bemerken nicht, dass der halbnackte German sie dabei beobachtet und seinen Mut verliert. Nie wieder wird er seine Geliebte sehen.
German: Elsbeth, wo ist meine Elsbeth Reprise
Mittlerweile hat er sich eine schlimme Erkältung eingefangen und schleppt sich kraftlos weiter. Langsam verliert er den Verstand, und zu allem Übel erlischt das Licht der Lampe. Da taucht der Waldschrat als German verkleidet vor ihm auf.
Der Sterbende bittet darum, ein letztes Mal seine Elsbeth sehen zu dürfen. Der Waldschrat entfacht das Licht in der Lampe und hält sie vor das eigene Gesicht.
Mit dem Satz „Du hast ihre Augen“ haucht German qualvoll sein Leben aus.
German, Waldschrat: Und Du hast den Wald gemacht / Ja, ich hab den Wald gemacht
In diesem Moment erscheint Elsbeth, sieht die Szene und verfällt in Schockstarre.
Dann wird sie vom Waldschrat zum Liebesspiel gezwungen.
Tanzszene: Balzverhalten wilder Waldbewohner
Daraufhin entführt er sie in sein Versteck.
SZENE 5. In der Höhle des Waldbewohners haben sich König und Königin zusammengefunden, um ihren Plan auszuarbeiten. Als die Königin wieder damit anfängt, der König allein wäre an Elsbeths Flucht schuld, rastet dieser aus und fährt sie an: „Hättest Du unserem Jungen nicht die verdorbene Pilzsuppe gegeben, wäre er nicht wahnsinnig geworden und wir hätten wenigstens noch einen Sohn!“
Just in diesem Augenblick erscheint der Waldschrat mit Elsbeth im Arm, die sich den Bauch hält.
Das Königspaar sieht nur Germans Kleidung und sie stürzen sich auf den Waldschrat. Es kommt zu einem Kampf und sie töten den verhassten German.
Elsbeth erwacht aus ihrer Trance und singt ein trauriges Wiegenlied.
Elsbeth, Waldschrat (im Sterben liegend): Wie hässlich wird das Kleine sein
Plötzlich schreit die Königin gellend auf: sie haben nicht German getötet — auch keinen vermeintlichen Waldschrat: vor ihnen liegt der vermisste Königssohn Waldemar, der vor achtzehn Jahren nach Genuss der Suppe Halluzinationen erlitt, sich wochenlang für einen Waldgeist und deshalb von seinen Eltern verstoßen wurde. Sie haben soeben ihren eigenen Sohn ermordet.
Die Erkenntnis, ein Kind von ihrem Bruder zu erwarten, erträgt Elsbeth nicht. Sie erwürgt sich mit einem Stück Strick, den sie aus dem Turm mitgenommen hat.
Elsbeth: Den Strick hab ich für Dich gedreht Reprise
Die Eltern erkennen, sie haben ihr ganzes Leben falsch gehandelt.
König, Königin: Kinder zwingen ist nicht fein
Die Toten erheben sich und singen ihr Lamento.
Elsbeth, Waldschrat: Nein, meine Suppe ess ich nicht Reprise
German: Das Elternhaus war schuld daran.
Dann stimmt das gesamte Ensemble das Finale an.
Alle: Der Wald, der war schon immer da, der wurde nicht von ihm gemacht.
Ende.
"Ach ne, oder? Geisterbahn? Das ist nicht Dein Ernst?”
“Komm schon, eine Fahrt. Oder trauste Dich nicht? Du bist wohl ein richtiger Feigling!”.
Sie lachte. “Ich bin kein Feigling” — “Doch, klar biste ein Feigling! Sonst würdest Du ja mit mir da reingehen.”Er zuckte mit den Schultern. “Sensation! Jetzt mit lebenden Geistern!” stand in blutroter Schrift auf dem billig gemalten Plakat, das als Publikumsmagnet neben einem riesengroßen Plastikskelett dienen sollte. Das Skelett war mit Lautsprechern ausgetattet und war elektronisch bewegt, so dass es in geringen Abständen den Kopf drehte und “Willkommen in der Hölle” über den Platz raunte. Dazu donnerte es und übersteuerte Musik plärrte den Schaulustigen entgegen. “Ach komm schon, eine Fahrt. Bitte bitte bitte. Nur eine Fahrt. Wir haben noch elf Euro, und die Fahrt kostet uns nur fünf Euro. Ich fahr danach auch mit Dir in der Wildwasserbahn, versprochen. Bitte bitte bitte.”, bettelte Theresa.
Erik ließ seinen Blick über die Geisterbahn streifen. “Fahrt ins Höllentor”. Er rückte seine Adidas-Baseballmütze zurecht. Für September war es schon relativ frisch draussen, dachte er. Wenn er es sich eingestand, so hatte er gar keine große Lust mehr auf die Wildwasserbahn, bei der man eh nur nass wurde und dann noch mehr fror. Aber allein seiner Schwester zum Trotz bestand er auf die Fahrt. Er war doch kein Weichling. “Fünf Euro”, wiederholte Theresa nachdrücklich und warf Erik einen flehenden Blick zu. “Fahr doch einfach allein, ich warte.”, presste er zwischen den Zähnen hervor, und diese begannen zu klappern. Seine Hände in den Jackentaschen waren zu Eisklumpen gefroren, aber das würde er seiner Schwester nicht sagen. Er war immerhin schon 13, und er hatte zu ihr gesagt, dass sie spätestens um 16 Uhr wieder zuhause wären, wenn ihre Mutter von der Arbeit zurück kommt. “Mama kriegt nicht mal mit, dass wir auf der Wiesn waren, wenn Du den Mund hältst.” Sie hatten ihr Taschengeld zusammengelegt, sechzehn Euro. Fünf Euro hatten sie für gebrannte Mandeln ausgegeben. Theresa stand neben ihm und sagte nichts, sah ihn nur an. Ihre braune Cordjacke war schon leicht feucht, es hatte angefangen zu regnen. Sie zog die Jacke zu, rückte ihre Brille zurecht und drehte sich auf dem Absatz um. Der Regen wurde etwas stärker. “Wo gehste denn hin?”, rief Erik ihr nach. Sie antwortete nicht, sondern stapfte entschlossen auf das Kassenhaus zu. Ach nein, bitte nicht, dachte Erik. Der Regen hatte innerhalb weniger Sekunden das Asphalt in einen kleinen See verwandelt. Seine Schwester stand schon unter dem Dach des kleinen Kassenhäuschens, in dem eine ältere Dame gelangweilt und kaugummikauend die nächste Durchsage startete: “Einsteigen, dabei sein beim Fahrt ins Höllentor!”Ok, was solls. Die Wildwasserbahn war für ihn gestorben. Erik rannte zu seiner Schwester und fiel ihr gerade noch ins Wort. “Zweimal, bitte!” Theresa strahlte ihren Bruder an und gab ihm einen Stoß mit dem Ellbogen. “Die Wildwasserbahn können wir uns sparen, oder?”. Sie grinste. Vor ihnen standen wenige Leute in der Schlange. Ein Vater mit seinem kleinen Sohn, vielleicht 8, der wie am Spieß schrie und immer wieder ermahnt wurde, er habe die Fahrt gewollt und müsse da jetzt durch. Vor ihnen ein Pärchen, beide vielleicht 17, Erik konnte sie nicht schätzen. Er hatte einen Ring durch den Mundwinkel, schwarze ungepflegte Haare und seine Hand in ihrer Gesäßtasche. Sie hatte auffällig pink lackierte Fingernägel, die sie abwechselnd in sein Gesicht und dann in die Kaugummiblase drückte, die aus ihrem Mund herauspoppte. Dann schob sie ihrem Freund die Zunge zwischen die Lippen. Ekelhafte, dachte Erik, und er zitterte. Es war kalt. Seine kleine Schwester stand neben ihm und wirkte angespannt. Wahrscheinlich hatte sie nun doch ein mulmiges Gefühl. Ihre Nase tropfte, sie holte ein Taschentuch aus der Cordjacke und putzte sich den Rotz von der Spitze. “Mir ist kalt”, sagte sie etwas leise. Erik gab ihr einen Stoß. “Reiss Dich zusammen, drin ist es bestimmt warm.” Mit einem lauten Getoße wurde plötzlich eine Tür aufgestoßen und ein kleiner Zug rollte aus der Bahn heraus. Theresa und Erik blickten in gelangweilte, angespannte und amüsierte Gesichter. Jungs und Mädels in ihrem Alter mit den Eltern, junge Pärchen, zwei ältere Jungen, die sich herrlich über die Papp-Puppen und “Schrott-Effekte” amüsierten. “Das war ja das reinste Barbiehaus”, gröhlte der eine. “Ja, die totale Verarsche. Von wegen lebende Geister!”, konterte der andere. “Lebende Geister”, wiederholte Theresa leise und langsam, als wäre ihr das Schild draussen entgangen. “Naja, das werden halt irgendwelche Leute sein, die da drin rumstehen und uns erschrecken wollen”, sprach ihr Bruder ins Leere. “Mhm.”, antwortete sie leise. “Hey, Du wolltest da rein, ich wollte in die Wildwasserbahn. Ausserdem sollten wir uns beeilen, es ist schon 14 Uhr, und wir müssen ja auch noch heim. Wenn Mama mitkriegt, dass wir hier waren, ohne zu fragen, gibt es gewaltig Ärger!”
“So, die nächsten!”. Ein dicker Mann mit Narben im Gesicht und einem dicken Bauch hatte eben die Türen zu den Waggons geöffnet und ließ die letzten Fahrgäste aussteigen. Theresas Blick fiel auf die Metallwand der Geisterbahn. “Keine sperrigen Gegenstände wie Schirme mitnehmen. Keine Foto- oder Videoaufnahmen. Keine Beine oder Arme während der Fahrt hinausstrecken. Eltern haften für ihre Kinder.”, stand auf einem Schild. Daneben war ein Vampir aufgemalt, dessen Augen irgendwie täuschend echt wirkten. Als hätte jemand Löcher in die Wand gebohrt und würde nun von drinnen nach draussen schauen. Sie schauderte und bekam Gänsehaut am ganzen Körper. “Erik…”, flüsterte sie. Aber ihr Bruder war gerade dabei, dem dicken Mann seine Fahrkarten zu geben. “Erik..”, versuchte sie es erneut. Der Vater mit seinem schreienden Kind nahm im ersten Waggon Platz. “Jetzt halt den Mund, dann mach halt die Augen zu, wenn Du Dich fürchtest.” “Was ist denn?”, drehte sich Erik zu seiner Schwester um. Sie hatten den dritten Wagen zugewiesen bekommen. “Ich sitz jedenfalls innen.” Die Tussi mit ihrem Freund saß direkt vor ihnen. Er umarmte sie und presste sie an sich. “Wennste Angst hast, dann lass es mich wissen, dann…” sagte der Junge zu seiner Freundin und beide glucksten seltsam. Die junge Frau küsste ihn als Antwort auf den Mund und sie verharrten so. “Es ist nichts..”, sagte Theresa leise und setzte sich.
Der Monitor im Kassenhäuschen surrte. Die Frau beendete ihre Durchsage, sah kurz auf das Bild und beugte sich zu einem weiteren Mikrofon. Sie drückte mit ihren Plastikfingernägeln einen Knopf und sagte scharf: “Wagen 2, fummelnde Teenies. Die brauchen ne kalte Dusche! Sagen wir kurz hinter dem Fallbeil!” Ein kleiner Lautsprecher knarrte. “Ist gebongt. Danny kümmert sich drum”. Das Knacken verstummte. Die Frau grinste.
“Einsteigen, dabei sein bei der Fahrt ins Höllentor!”.
Mit einem Ruck setzte sich die Bahn in Bewegung. Langsam, aber mit zunehmender Geschwindigkeit fuhren sie auf eine Metalltür zu, auf die das Maul eines feuerspeihenden Drachen zu sehen war. Mit einem lauten Knall schlug der Zug gegen die Tür, die sich knarrend öffnete. Dunkelheit. Theresa drückte sich an ihren Bruder und zog ihre Cordjacke zu. Sie fröstelte. Mama war gegen 16 Uhr zuhause. Jetzt war es 14 Uhr. Noch 2 Stunden. Gott sei Dank hatte sie mit den Hausaufgaben schon angefangen, vielleicht wurde sie noch fertig. Abends wollten sie doch noch zum Schwimmen, Mama und sie. Bei dem Wetter? Für September war es schon sehr kalt, dachte sie. Sie blickte zu ihrem Bruder. Erik hatte sich die Baseballmütze tiefer in die Stirn gezogen und seine Augen funkelten nervös.“Wieso hast Du Dir Deine Handschuhe angezogen?”, fragte sie ihn. “Mir ist halt kalt.” Sie gab ihm einen kleinen Stoß mit dem Ellbogen. “Was denn? Ist alles gut!”, keifte er. Theresa lächelte.Ihr Waggon war nun der nächste und somit letzte, der sich in die Dunkelheit schob. Gleich danach senkte sich eine große haarige Spinne von der Decke. Ihre Mechanik ächtze, die elektronischen Lämpchen in ihren Augen blinkten. Die Metalltür fiel krachend hinter ihnen zu.
“Danny, Wagen 2 braucht `ne Extrabehandlung!”. Danny drückte den Knopf tiefer ins Ohr. Seit 3 Stunden stand er schon im Dunkeln hinter einer von Mäusen angefressenen, schlecht bemalten “Leiche” einer Frau, die gerade von einem Fallbeil in zwei Hälften zerteilt wurde. Im Vierzigsekundentakt wurde eine Lichtschranke vom ersten Wagen des Zuges unterbrochen, die Mechanik geriet in Aktion, das Gestänge senkte das Fallbeil, die lächerliche Skulptur fuhr auseinander, billige Soundgeräusche kreischten aus dem Lautsprecher. Gott sei Dank hatte er seine Ohropax eingepackt. Nach einer Woche täglich 8 Stunden in der Bahn hatte er dazugelernt. Und wieder fuhr ein Zug heran, er machte sich bereit, zog die Totenkopfmaske über, ließ den Zug vorbeifahren. Ein kleiner Junge schrie wie am Spieß. Wie er diese verantwortungslosen Eltern hasste. Ihre Kinder wollten doch gar nicht, wieso wurden sie gezwungen? Wenn er jemals Kinder haben sollte, würde er ihnen das nicht antun. Er würde sowieso nie wieder freiwillig eine Geisterbahn mit “lebenden Geistern” betreten. Dieser Job hatte ihn geheilt. “Auf der Wiesn verdienst Du echt gut Kohle fürs Studium!”, hatte Steve gesagt. Jaja. Super Kohle, verdammte Scheisse. Er trat hinter den Zug. Wagen 2. Schon klar, wieder die gleiche Nummer, wie ungefähr in jeder dritten Fuhre. “Wenn Du Angst hast, klammer Dich an mich, ich beschütze Dich schon”. Bla bla bla. Hauptsache ein bisschen fummeln. Er musste grinsen. Hatte er das nicht auch schon mit, wie hieß sie doch gleich nochmal, ach egal, durchgezogen? Damals? Der Zug war nun ein paar Meter weitergefahren, bog gleich ums Eck in die “Dunkelzone” mit Luftdruckgebläse. Danny stand hinten auf der äußeren Kupplung des Gefährts. Es war soweit. Es wurde stockdunkel, das Luftgebläse fegte feuchtwarmen Wind durch die drei Zugabteile. Er griff an dem Mädchen in Wagen drei vorbei und packte die Tussi in Wagen 2 kurz am Kopf. Sie schrie auf und drehte sich um.
Der dicke Mann wartete, bis die Ausgangstür des “Höllentors” krachend aufflog und der Zug herausrollte. Er öffnete die drei Türen. “Rechts aussteigen!” Ein kleiner Junge plärrte und heulte Rotz und Wasser, der Vater oder Onkel zischte nur “Es ist doch vorbei! Mit Dir fahre ich heute nichts mehr, hör auf zu weinen nochmal!” und zerrte ihn Richtung Ausgang. Die nächsten Besucher drängten in den ersten Wagen. “Mann, ich hätt dem Kerl da drin fast die Hand abgerissen, so erschrocken bin ich!” — “Und mir fast die Eier abgerissen, Babe”, lachte das junge Paar aus Wagen 2. “Ey, des war echt der Hammer, endslustig!”, kicherte das Mädel. Eng umschlungen schlenderte das junge Glück zum Ausgang.
“Kleine, mach mal hinne, da wollen noch andere fahren!”, murrte der dicke Mann. Das keine Mädchen in Wagen drei saß da und starrte vor sich hin. Dann stand sie auf und ging zum Ausgang. Die Frau im Kassenhäuschen sah dem Paar hinterher. “Arschgeigen. Gut, dass die Fahrt nicht lang ist, sonst könnten wir noch Eure Sauereien wegmachen. Drecksgören.” Sie holte Luft, beugte sich über ihr Mikrofon. “Einsteigen, dabei sein beim Fahrt ins Höllentor!” Aus dem Augenwinkel sah sie ein kleines Mädchen gedankenverloren an der Attraktion vorbeilaufen. Langsam drehte sich das junge Ding um, sah mit starren, glasigen Augen der Frau direkt in die Augen. Ihr Gesicht war Stein. Die schwarzen Haare hingen nass herab wie Schlamm, die braune Cordjacke hatte sie halb offen. “Seltsam”, dachte sich die Kassenfrau. “Ich dachte…” Sie folgte dem Blick des Mädchens hinüber zur Bahn. Geistesabwesend stierte das junge Ding auf..sie konnte es nicht erkennen. In der rechten Hand hielt sie einen blauen Handschuh umklammert. Die Frau runzelte die Stirn. Langsam stand sie auf, öffnete die Tür zum Kassenhäuschen und musste kurz husten. Zuviel frische Luft. Dann rief sie: “He, Kleine…”. Aber das Mädchen hatte sich schon umgedreht und war gegangen.
“Schatz, ich bin wieder zuhause!”. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. “Hey, musstest heut länger machen? Wir haben schon auf Dich gewartet.” — “Ja, sorry, hab für nen Kollegen noch die Spätschicht übernommen. — Hey Sportsfreund!” — “Papa!!” — “Schau mal, was ich für Dich hab!” Er drückte seinen Sohn an sich und gab ihm einen kleinen Klaps auf den Hinterkopf. “Schau, hier, ein Adidas-Cap! Wirst schon noch reinwachsen!”. Er lachte. “Danke!! Ich hab den besten Papa der Welt!!”.
Hannes lächelte.
Den besten Papa der Welt.
(Fassung aus dem Jahr 2010 - Stand 18.02.2023 - aktuell in Überarbeitung)